Interview

Seit Anfang des Jahres ist eine neue Plattform für Lehrerinnen und Lehrer online. Hier können Unterrichtsmaterialien gekauft, verkauft und getauscht werden. Doch welche Idee steckt eigentlich dahinter? Was bietet die Plattform den NutzerInnen und wie unterscheidet sie sich von anderen, ähnlichen Angeboten? Diese Fragen habe ich versucht im Interview mir Dominik Dresel, einem Mitbetreiber der Plattform zu klären.

Herr Dresel, zunächst würde mich interessieren, wie Sie ausgerechnet auf eine Plattform für Unterrichtsmaterial gekommen sind? Sind sie selbst Lehrer oder kommen irgendwie aus diesem Bereich?

Die Idee zu lehrermarktplatz begleitet mich schon lange. Ich habe selbst zwei Jahre als Quereinsteiger an einer Hauptschule in Baden-Württemberg unterrichtet und natürlich sehr viel Zeit in die Unterrichtsvorbereitung gesteckt – ich hatte ja weder viel Erfahrung noch einen bestehenden Materialfundus. Da habe ich mir oft gewünscht, es gäbe eine Plattform, auf der Lehrkräfte aus dem ganzen deutschsprachigen Raum ihre eigenen Unterrichtsmaterialien anderen Kollegen anbieten können. Denn es gibt ja alleine hierzulande fast 800.000 Lehrkräfte, von denen die meisten tolle Unterrichtsmaterialien selbst erstellen –  aber eben jeder für sich allein, in den Ferien oder nach einem langen Schultag. Und diese unterrichtserprobten Stundenentwürfe, Kopiervorlagen, Arbeitsblätter, etc. wandern dann nach ihrem Einsatz wieder zurück in die Schublade oder auf die Festplatte, obwohl vielleicht wahrscheinlich viele Kollegen gibt, die mit dieser Vorarbeit viel Zeit sparen und neue Perspektiven kennen lernen können.

Wie unterscheidet sich lehrermarktplatz von anderen Plattformen wie beispielsweise Lehrer-Online, 4teachers oder Lehrermaterial.de? Oder auch anderen selfpublisher Möglichkeiten?

Ich denke, die Möglichkeit, die eigenen Materialien eben nicht nur kostenlos in eine Tauschbörse zu stellen, sondern beispielsweise am Download einer Unterrichtseinheit, in die viele Stunden Arbeit geflossen sind, auch ein paar Euro zu verdienen, ist schon ein wesentliches Merkmal von lehrermarktplatz. Was aber nicht heißen soll, dass das Anbieten von kostenlosem Material nicht ebenso möglich (oder gewünscht) wäre! Wir wollen eine werbefreie Plattform schaffen, die auch transparent macht, dass viele Kolleginnen und Kollegen Materialien erstellen, die sich vor Verlagsprodukten nicht verstecken müssen. Und für uns ist lehrermarktplatz kein Nebenprojekt – aktuell arbeiten wir mit einem zehnköpfigen Team daran, dieses Unterfangen zu verwirklichen.

Worin besteht der Mehrwert für Autor und Nutzer? Warum sollte er gerade auf lehrermarktplatz zurückgreifen?

Ich denke, dass die Vielfalt und Aktualität der Unterrichtsmaterialien für lehrermarktplatz spricht. Ob eine Unterrichtseinheit zur Europameisterschaft oder eine Analyse der Rhetorik von Donald Trumps Reden im US-amerikanischen Wahlkampf – solche Dinge entstehen jeden Tag in den privaten Arbeitszimmern von Lehrkräften. Ein klassischer Verlag bräuchte dafür Monate.

Und dann ist ja noch die Frage nach der Qualität. Qualität wird ja oft mit Hochglanz gleichgesetzt, aber wir sind eher der Meinung, dass die Qualität eines Lehrmaterials darin gemessen werden sollte, ob es im Unterricht funktioniert, ob die Lehrkraft – und natürlich vor allem auch die Schülerinnen und Schüler – damit erfolgreich arbeiten können. Und das ist ja auch die Messlatte, der Lehrkräfte gerecht werden müssen, wenn sie selbst Unterrichtsmaterialien erstellen. Ich habe selbst mehrere Jahre für einen großen Bildungsverlag gearbeitet und weiß, dass dort gute Arbeit verrichtet wird. Aber die echten Experten für guten Unterricht stehen jeden Tag im Klassenzimmer.

Wie verfahren sie mit den eingehenden Beiträgen? Werden sie irgendwie auf Aktualität und Richtigkeit geprüft?

Natürlich wird lehrermarktplatz auf Dauer nur erfolgreich sein können, wenn unsere Hypothese stimmt, und die bei uns angebotenen Unterrichtsmaterialien tatsächlich einen hohen Mehrwert für andere Lehrkräfte stiften. Während wir aktuell jedes eingereichte Material händisch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfen – beispielsweise Rechtschreib- oder offensichtliche Formatierungsfehler – wollen wir nicht die Rolle eines Verlags einnehmen. Denn weder verfügen wir über die redaktionelle und inhaltliche Kompetenz, die Arbeit einer so vielfältigen Gruppe von professionellen Lehrkräften zu bewerten noch wollen wir hier in irgendeiner Form unsere Autoren oder Käufer bevormunden. Das ist ja das Schöne an einem Marktplatz: dort finden sich Nachfrage und Angebot, zumal das Angebot dank einer Vorschau- und zukünftig auch Bewertungsfunktionalität auch sehr transparent ist. Und, wie es auf plattdeutsch so schön heißt: Was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Nachtigall. Natürlich soll und muss jede Lehrkraft selbst entscheiden dürfen, ob die zwei Euro für das Arbeitsblatt eines Kollegen gut angelegtes Geld sind.

Gibt es irgendwelche Ausschlusskriterien?

Grundsätzlich freuen wir uns über alle Lehrkräfte, die etwas beitragen wollen, egal welches Fach sie unterrichten oder an welcher Schulform sie tätig sind. Solange ein Material – egal ob eine Lernwerkstatt, ein Lückentext, eine Unterrichtsreihe oder etwas ganz anderes – andere Lehrkräfte in ihrer Arbeit unterstützen und entlasten kann – freuen wir uns darüber. Natürlich, das sage ich der Vollständigkeit halber dazu, schließen wir etwa gewaltverherrlichende Inhalte aus – aber das versteht sich sicherlich von selbst.

Im Unterricht gelten ganz andere Bestimmungen bezüglich des Urheberrechtes als bei der kommerziellen Nutzung. Wie stellen sie sicher, dass das Urheberrecht gewahrt bleibt?

Der Schutz geistigen Eigentums ist tatsächlich eine ernstzunehmende Angelegenheit. Gerade darum ist lehrermarktplatz ja auch eine Plattform für ausschließlich selbst erstelltes Unterrichtsmaterial, mit dem dann auch andere Lehrkräfte bedenkenlos im Unterrichtskontext arbeiten können. Die Verantwortung dafür, dass in diesen Unterrichtsinhalten selbst keine Urheberrechte verletzt werden, trägt letztlich die anbietende Lehrkraft. Unsere Erfahrung aber zeigt, dass die meisten Lehrkräfte verantwortungsvoll und sauber arbeiten, Zitate und Quellen als solche kenntlich machen und sicherlich kein Geld mit abgekupferten Materialien verdienen möchten.

Der Homepage entnehme ich, dass die Autoren und Autorinnen in Zukunft ihr Material selbst einstellen können. Wie wollen Sie dabei einen Überblick über die Inhalte behalten?

Wir arbeiten aktuell intensiv an Inhaltsbäumen für jedes Fach, sogenannten Taxonomien. In Zukunft sollen neue Materialien einfach in die logische Struktur eines Schulfachs eingeordnet werden können. Schon jetzt arbeiten wir mit einer präzisen Schlagwortsuche, deren Ergebnisse dann mit Filtern wie Fach oder Klassenstufe eingegrenzt werden.

Ich bedanke mich für das Gespräch und wünsche viel Erfolg!

In eigener Sache weise ich darauf hin, dass ich für die Veröffentlichung des Interviews Geld bekommen habe, auf die Art meiner Fragen jedoch keinerlei Einfluss genommen wurde.