Wer mich oder meinen Blog kennt, der weiß, dass mich bei Städtereisen nicht so sehr die jeweiligen Sehenswürdigkeiten interessieren. Viel wichtiger ist es mir, bei einem Städtetrip zumindest ansatzweise, in das Leben der Stadt einzutauchen. So hat mich meine Neugierde bei meiner Städtereise nach Hamburg unter anderem in das Schanzenviertel und das Grindelviertel gebracht.
Kurze Geschichte des Schanzenviertels
Im heutigen Schanzenpark befand sich von 1682 bis in das 19. Jahrhundert eine große Befestigungsanlage, die sogar den heranstürmenden Dänen stand hielt. Ab 1860 wurden mit dem Bau eines Bahnhofs und des zentralen Schlachthofs vor allem Arbeiter in dem Viertel ansässig aber auch der Klavierbauer Steinway & Sons und der Schreibgerätehersteller Montblanc ließen sich in dem Viertel nieder.
Das Schanzenviertel heute
Bis heute ist das Schanzenviertel nicht gerade für seine Sehenswürdigkeiten bekannt, sondern eher für seine Altbauten, coolen Läden, vielen Cafés und kleinen Boutiquen und nicht zuletzt für das alternative und multikulturelle Leben. Streetart an allen Ecken und die Rote Flora. Kurz und gut, ein In-Viertel, wie es im Buche steht und alle mal einen Besuch wert ist.
Die Rote Flora
Das Gebäude ist mit Plakaten und Graffitis bedeckt und gilt weit über Hamburg hinaus als das Zentrum der autonomen Szene. Geht es um linksradikalen Wiedererstand, beispielsweise zum G 8 Gipfel, ist die Rote Flora und ihr Umfeld in allen Tageszeitungen.
Das Gebäude wurde 1888 gebaut und umfasste Gesellschaftsräume, einen Konzertsaal, Cafés und Privatwohnungen. Der hintere Teil des ehemaligen Ballhauses wurde vor dem zweiten Weltkrieg zuerst als Garage genutzt und später als Bunker umgebaut. Bis 1943 versuchte man den Theaterbetrieb aufrecht zu erhalten, anschließend konnten ausgebombte Bürger hier den Rest ihrer Habseligkeiten unterstellen. Nach dem Krieg wurde das Gebäude als Kino genutzt und der 1.000 Töpfe-Laden zog in das Gebäude ein.
Ende der 80er Jahre sollte das Gebäude einem Musicaltheather weichen, doch der Protest der Anwohner verhinderte dies. Seit 1989 gilt die Rote Flora als besetzt und wurde so zu einem bundesweit bekannten linksautonomem Zentrum. 2000 wurde das Gebäude von einem Immobilienkaufmann gekauft, doch eine Veränderungssperre der Stadt verhinderte den Umbau des Gebäudes. Es folgte eine jahrelange Auseinandersetzung zwischen Besitzer und Besetzern und 2014 wurde das Gelände schließlich von der Stadt zurückgekauft. Heute ist die Rote Flora in erster Linie ein linkes Kulturzentrum und die Räumlichkeiten werden von unterschiedlichen Gruppen genutzt. Hier befindet sich übrigens auch ein bemerkenswertes Archiv über die Sozialen Bewegungen in Deutschland. Ich habe dies sowohl für meine Magisterarbeit als auch meine Dissertation ausführlich genutzt.
Stadtspaziergang durch das Schanzenviertel
Wir beginnen unseren Spaziergang durch das Schanzenviertel an der U Bahnstation Sternschanze und kommen nicht wirklich weit. Die ersten kleinen Boutiquen müssen begutachtet werden und dann macht sich auch schon das fehlende Frühstück bemerkbar und so beschließen wir einen Stopp bei Frank und Frei einzulegen. Wir sitzen in der Sonne, können die Bewohner des Viertels in ihrem Alltag beobachten und oben drein noch lecker essen, was will man mehr? Mehr als satt, raffen wir uns einige Zeit später zu unserer Entdeckungstour durch das Schanzenviertel auf. Wir folgen noch ein Stück der Schanzenstraße und biegen dann in die Bartelsstraße ab, wo wir offensichtlich in einer St. Pauli Hochburg gelandet sind. Aber kein Problem, ich habe zwar nichts mit Fußball am Hut, St. Pauli gefällt mir aber weil der Verein immer wieder mit klaren politischen Aussage an die Öffentlichkeit tritt. Wenig später biegen wir in die Susannenstraße und kommen so zum Schulterblatt.
Hier befindet sich nicht nur der sogenannte Latte Macchiato Strich, sondern auch die Rote Flora. Latte Macchiato Strich übrigens nicht, weil sich hier ein Café an das andere reiht, sondern weil hier vor allem Mütter mit Kinderwagen einkaufen, was uns allerdings nicht so aufgefallen ist, denn an diesem sonnigen Oktobertag scheint sich hier das ganze Viertel aufzuhalten. Der Name Schulterblatt geht übrigens auf ein Wirtshaus zurück, dass mit einem Walschulterblatt auf sich aufmerksam machte. Hier und in den angrenzenden Straßen gibt es nicht nur zahlreiche Restaurants und Cafés von vegetarisch bis vegan, sondern auch unzählige Boutiquen und es lohnt sich allemal in einem der vielen Cafes oder Kneipen Platz zu nehmen und das Viertel auf sich wirken zu lassen. Nachdem wir dies ausgiebig getan haben laufen wir weiter kreuz und quer durch die Gassen und steigen schließlich an den Messehallen wieder in die U-Bahn.
Mein Fazit zum Schanzenviertel
Wer multikulti und die alternative Szene mag, der sollte sich das Schanzenviertel in Hamburg in keinem Fall entgehen lassen und für Liebhaber von StreetArt ist das Schanzenviertel eine wahre Goldgrube.
Wenn ich in fremden Städten bin frage ich mich immer, ob ich mir vorstellen kann hier zu leben. Und ja, im Schanzenviertel kann ich es mir definitiv vorstellen. Es hat für mich eine gesunde Mischung aus altbacken, alternativ und neu.
Doch es geht nicht nur mir so und so haben bereits viele Investoren und Immobilienmakler das Viertel für sich entdeckt und die Mietpreise für die Wohnungen steigen für Lottonormalverbraucher an vielen Stellen bereits jetzt ins unbezahlbare.
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Kennst du das Schanzenviertel? Wie hat es dir dort gefallen? Ich freue mich über Kommentare und Anregungen.
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Ich habe im letzten Jahr eine Tour durchs Karolinenviertel (zw. U-Bahn Stationen Feldstraße und Messehallen) und durch St. Pauli (zw. Paulinenplatz und Reeperbahn) gemacht. Dort mußte man ein bisschen darauf achten, was und wen man fotografiert, weil Fotografen da nicht so beliebt sind. Spätestens als die “Schaufenster” in Sicht kamen, habe ich den Apparat dann weggepackt :-). Ansonsten sind Schanzen- und Karolinenviertel auf jeden Fall sehenswerte Viertel mit netten Cafes und einer Menge Street Art.
LG Michael
Hallo Michael,
ehrlich gesagt haben wir in St. Pauli reiß aus genommen. Wir waren an einem Samstag Morgen da und kamen von der Hafenstraße. Überall lag der Müll vom Partyabend des Vortages rum und es stank nach verdautem und unverdautem Alkohol. Vermutlich waren wir einfach zur falschen Zeit dort und ich möchte St. Pauli tatsächlich noch eine Chance geben . Allerdings interessiert mich dann doch eher das Leben hinter der Partymeile . So fuchst es mich beispielsweise, dass Frauen in der Herbertstraße nichts zu suchen haben. Was mich auch wirklich mal interessieren würde, ist eine der alternativen Städtetouren durch St. Pauli . wie du siehst, es war nicht mein letzter Besuch in Hamburg.
Liebe Grüße Anja