Von kleinen und mittleren Katastrophen auf Reisen
Wer kennt sie nicht, die Leute, die aus dem Urlaub wiederkommen und alles scheint die reinste Katastrohe gewesen zu sein: Das Hotel nicht gut, das Essen schlecht, der Strand nicht schön. Gut, das kann mir alles nicht passieren, denn ich gehe nicht ins Hotel und ist der Campingplatz mal versifft fahre ich eben am nächsten Tag weiter, na ja und für mein Essen bin ich selbst verantwortlich, da ich einen Kocher dabei habe. Aber auch wenn man mit dem Rucksack oder dem Fahrrad unterwegs ist, kann natürlich die ein oder andere Katastrophe passieren.
Obwohl ich so viel und schon so lange reise, bin ich bisher eigentlich verschont geblieben. Gut in Südamerika haben sie mir mal meine Wanderschuhe geklaut, das war ärgerlich, nicht nur, weil sie teuer und supergut eingelaufen waren sondern vor allem, weil ich für den nächsten Tag eine Tour durch den Regenwald absagen musste, da es in Sandalen echt zu gefährlich gewesen wäre und es weit und breit kein Geschäft gab, indem man zumindest halbwegs feste Schuhe hätte kaufen können. Genau genommen gab es nämlich weit und breit gar kein Geschäft.
Dann war jahrelang Ruhe, bis ich mit meiner Tochter eine Kanutour machen wollte. Da der Zug zum Ausgangspunkt recht voll war, haben wir unseren Rucksack im Fahrradabteil abgestellt und uns einen Platz gesucht. Kurz vor Gießen haben wir uns dann wieder auf dem Weg zum Fahrradabteil gemacht, um unser Gepäck zu holen, doch NIENTE – kein Rucksack mehr da. Mir schoss alles Mögliche durch den Kopf: Scheiße die ganze Tour geplatzt, mist Isomatten, Zelt und Schlafsäcke weg – die brauchen wir doch dringend für unsere Sommertour. Offensichtlich wurde meine Panikattacke bemerkt, denn plötzlich stand eine Frau vor mir und sagte: „War das so ein großer blaugrauer Rucksack? Den hab ich in AU an der Sieg rausgestellt, als ich einem Fahrradfahrer mit seinem Gepäck geholfen habe.“ Klasse“, denke ich ironisch, „Soviel zum Thema Hilfsbereitschaft.“ Also wir raus aus dem Zug und jemand von der Bahn angequatscht. Der Erste konnte uns angeblich nicht helfen. Bei der Zweiten war ich dann etwas rigoroser und sie hat sich ans Telefon geklemmt. Dumm nur, dass um diese Zeit kein Personal mehr auf dem Bahnhof in AU war – ich glaub allerdings, da gibt es nie wirklich Personal. Na ja jedenfalls schaltete sich dann ein weiterer Bahnbediensteter ein und meinte, dass da doch eine Baustelle sei und man ja vielleicht die Bauleitung erreichen könnte. Gesagt getan, mein Rucksack stand in einem Baucontainer und wurde mit dem nächsten Regionalzug von Au an der Sieg nach Gießen gebracht. So sind wir zwar mit einiger Verspätung auf dem Campingplatz angekommen, konnten aber am nächsten Tag unsere Kanutour wie geplant starten.
Weiter ging es dann im nächsten Jahr. (Für alle, die meinen Artikel über das Lesen von EBooks kennen, empfehle ich hier den nächsten Absatz zu überspringen, es sei denn, ihr wollt wissen, wie die Geschichte ausgegangen ist.)
Um Gepäck zu sparen und das leidige Thema: Wo bekommen wir Nachschub an Lesematerial her endlich los zu sein hatten meine Tochter und ich uns jeweils einen Tolino zu Weihnachten gewünscht. Glücklich über das deutlich geringere Gepäck haben wir uns also auf den Weg gemacht, um von Jesenice nach Pula zu fahren. Wir haben uns den Pass hochgequält, sind bei strömenden Regen durch das Soca Tal gefahren, und als wir endlich an der Kroatischen Küste angekommen sind und die Sonne schien haben wir uns einen Sonnenschirm samt Liegen geliehen und wollten einfach den Tag genießen, das heißt faul in der Sonne oder eben im Schatten auf der Liege liegen und lesen.
Doch genau in dem Moment als ich mich so auf meinen Tolino gefreut habe hat er mich im Stich gelassen. Erst nur komische Streifen und dann einfach nichts mehr. Ich kann es einfach nicht glauben und versuche reset, schütteln „Mensch gestern hat er es doch noch getan“, denke ich. Nach einer halben Stunde gebe ich resigniert auf, gehe erst einmal einen völlig überteuerten Cocktail an einer Strandbar trinken und rauche eine. Versuche das Problem rational zu lösen und komme schnell zu dem Schluss: Das Ding ist kaputt, raste nicht aus, sondern versuch etwas Neues zum Lesen zu finden. Also gut, hab ich mich also durchgefragt: Einen Buchladen gab es am Ort nicht, aber internationale Zeitungen. Obwohl ich absolut keinen Bock auf Nachrichten hatte – schließlich bin ich Politologin und befasse mich das ganze Jahr damit – blieb mir dann doch nur der Spiegel oder der Stern. Also bin ich mit dem Spiegel zurückgekehrt und konnte den Tag auf der Liege doch noch einigermaßen retten. Das Problem: Neues Buch war aber ja immer noch nicht gelöst, aber das hatte ich auf den Abend verschoben. Schließlich waren auf dem Campingplatz jede Menge Deutsche, Österreicher und Schweizer, irgendjemand würde mir wohl helfen können. Dachte ich zumindest. Und so bin ich am Abend guter Dinge losgezogen und habe sämtliche deutschsprachigen Camper abgeklappert. Immer wieder habe ich meinen Spruch runtergesagt: was passiert ist und das ich dringend ein neues Buch brauche – selbstverständlich gegen Bezahlung. Das Ende vom Lied war, dass ich ziemlich entnervt zu unserem Zelt zurückgekehrt bin und kein neues Buch hatte, dafür aber einen tiefen Einblick in das Leseverhalten deutschsprachiger Urlauber an der kroatischen Küste. Insgesamt gab es drei Kategorien: In der ersten Kategorie fasse ich all jene zusammen, die mir das Gefühl vermittelt haben ich würde spinnen oder gar etwas Anstößiges verlangen. Hier gab es Antworten wie: „Lesen im Urlaub, dass haben wir nicht nötig.“ Andere reagierten, als ob ich mir den Ehemann für eine Nacht ausleihen wollte. In die zweite Kategorie fielen all jene, die mich durchaus verstanden aber leider ihre Bücher aus der Bibliothek hatten und von daher nicht weiter geben konnten und dann gab es noch die Kategorie der wirklich Mitfühlenden: Sie hatten zwar einen Stapel Bücher dabei, waren aber gerade erst angekommen und hatten noch keins gelesen.
Also hab ich den Rest des Abends ziemlich frustriert vor meinem Spiegel gesessen. Die Rettung kam dann in der Pampa.
Am Morgen hatten wir uns auf in die Berge gemacht. Unser Ziel eine von einem Deutschen betriebene Pension mehr oder weniger im Nirgendwo aber immerhin an einer tollen Radstrecke. Dort angekommen durfte ich in der persönlichen Bibliothek stöbern und mir zwei Bücher aussuchen, die ich dann, weil ich mich wie ein kleines Kind gefreut habe auch umsonst bekommen habe.
Na ja und in diesem Jahr haben mich die kleinen bis mittleren Katastrophen dann gleich drei Mal erwischt. Aber davon erzähle ich euch das nächste Mal.
Für eine Blogparade ist mein Blog ja irgendwie noch zu unbekannt und ich zu unwissend. Dennoch würde ich mich freuen, wenn Ihr den ein oder anderen Gastbeitrag zum Thema beitragen würdet oder eben selbst auf eurem Blog etwas schreibt und es verlinkt.
Ich wünsch dir/euch weiterhin alles Gute und vorallem viele neue positive Abenteuer.
Bis denne Anja
hach ja, da kann ich auch Sachen erzählen :D Die kleinen und großen Katastrophen. Unsere erste Radtour war eine EINZIGE Katastrophe – alles gings schief, was nur schief gehen konnte! Wir nennen diese Tour deshalb auch liebevoll “Das große Scheitern”
https://wandernd.wordpress.com/2014/11/29/84/
und dann gab es noch diese unschöne Sache auf der ansonsten eigentlich sehr gut laufenden Tour in Ungarn:
https://wandernd.wordpress.com/2015/09/28/begegnungen-4-wie-wir-an-einem-tag-den-glauben-an-die-menschheit-verloren-und-wiederfanden/
Man erlebt halt immer was, wenn man reist :)
Halloilona,
schön, dass du meiner Aufforderung nachgekommen bist. Unsere erste Radtour war auch gespickt mit Pannen, hauptsächlich weil wir viel zu viel Gepäck dabei hatten.
Das Erlebnis in Ungarn fand ich dann doch etwas herber. Ehrlich gesagt hatte ich vor so etwas immer etwas Schiss, denn als wir mit den Radtouren angefangen haben ging meine Tochter noch zur Grundschule. Ohne Kind bin ich immer mehr oder weniger sorgenfrei durch die Weltgeschichte gezogen aber wenn da plötzlich jemand ist, für den man verantwortlich ist sieht die Welt noch einmal ganz anders aus. Toi, toi,toi bisher ist alles gut gegangen und nun ist sie mit 16 ja auch schon alt genug, um kritische Situationen zu meistern.
Viel Glück weiterhin
Anja
dito, euch auch :)
Ja, schön war das in Ungar nicht, das ist wahr. Aber zum Glück war es auch das einzige derartige Erlebnis, das wir hatten.