In Cortina finden wir einen Alimentari, wir brauchen dringend Alkohol de naturata (Spiritus) zum Kochen. Ich frage in einem Kauderwelsch aus Spanisch und Italienisch danach und werde in die Spirituosenabteilung geschickt. Als ich auch noch Hände und Füße dazu nehme, landen wir bei den Putzmitteln und finden auch Spiritus. Allerdings bekommen wir von der Verkäuferin den guten Rat das Zeug in keinem Fall zu trinken. Der Campingplatz von Cortina ist nicht besonders schön, doch das ist uns nach dem heutigen Tag schnuppe und wir genießen noch die letzten Strahlen der Abendsonne.
Am nächsten Morgen tut uns alles weh, die Bauchmuskeln vom Klettergarten, die Arme vom Schieben und die Beine eh und was wir gestern noch genossen haben, nämlich, dass der Campingplatz einige Höhenmeter unter dem Radweg liegt, wird heute gleich zu Beginn zur Tortur. Wir lassen uns jedoch nicht entmutigen, denn wenn wir erst einmal wieder auf dem Radweg sind, kommen für heute keine nennenswerten Steigungen mehr und wir können die Fahrt durch die tolle Landschaft genießen. Obwohl es wirklich angenehm zu fahren ist, freuen wir uns schon nach der Hälfte der Strecke auf den morgigen Ruhetag. Wir nehmen uns ganz fest vor dieses Mal wirklich zu faulenzen und zu lesen, außerdem muss die weitere Streckenplanung in Angriff genommen werden. Von Gewaltmärschen wollen wir diesmal in jedem Fall absehen. In der Zwischenzeit haben wir den offiziellen Dolomitenradweg hinter uns gelassen und statt uns auf die tolle Beschilderung verlassen zu können, sind wir nun auf die Landkarte und mein Kauderwelsch aus Spanisch und Italienisch angewiesen. Was sich erstaunlicherweise aber bewährt: Die Italiener verstehen meine Frage und ich erschließe mir ihre Antwort aus ihren Gesten – klappt hervorragend! Und wenn ich doch mal nur Bahnhof verstehe, kommt von Jana: „Ach Mama das schaffen wir schon!“ manchmal frage ich mich schon, woher sie dieses uneingeschränkte Vertrauen nimmt. Auf dem Campingplatz angekommen ist noch Klamotten waschen und Wellness in der Abendsonne angesagt und für das Auge gibt es auch was: Unser Nachbar ist ein fescher Italiener in orangefarbenen Bademantel. Bei dem ersten Gang zum Klo wird uns schmerzlich bewusst, dass wir uns unaufhaltsam dem Sitzkloäquator nähern. Auf dem letzten Campingplatz gab es noch drei Exemplare dieser für müde Beine äußerst komfortablem Toilettenart, hier ist es nur noch eins.
Am nächsten Morgen schlafen wir erst einmal bis 11.30 Uhr. Beim ersten Blick aus dem Zelt, dann wieder unser Nachbar in seinem Bademantel – wir prusten beide laut los. Den Rest des Tages verbringen wir wie geplant: Lesen, schlafen, planen. Die Fahrt zum Supermarkt reicht uns für heute an Aktivität völlig aus.
Laut Reiseführer erwartet uns am nächsten Tag wieder eine traumhafte Tour: „Diese Route nutzt fast durchgehend idyllische Nebenstraßen. (…)
Gleich zu Beginn der Tour erwartet sie hinter Sottocastello eine spektakuläre Abfahrt auf der für den Verkehr gesperrten alten Landstraße nach Perarolo, wo der Fluss Boite in die Piave mündet. Bis Belluno wird nun der Fluss Piave Ihr ständiger Begleiter. Landschaftlich besonders reizvoll ist das erste Drittel dieser Tour, wo es durch das schluchtartige Piave – Tal geht, entlang mächtiger bewaldeter Bergmassive.“ (Das München Venedig Radbuch……) Um vom Campingplatz wieder den Anschluss an unsere Tour zu finden, mussten wir zunächst gute 7 Km zurückradeln und wie sollte es anders sein: es ging natürlich ziemlich steil bergauf. Der Rest der Tour versprach allerdings ein abwechslungsreiches Höhenprofil. Außerdem hatte der Pausentag echt gut getan und wir starten mit neuer Energie. Nach mehreren Fehlversuchen finden wir endlich unseren Weg wieder und vor uns liegt die im Reiseführer beschriebene Abfahrt. Über mehrere Kilometer müssen wir nichts anderes tun als zu bremsen und ab und zu mal anhalten, damit sich die Felgen wieder abkühlen können. Es ist Spitze und da keine Autos kommen, können wir es so richtig laufen lassen. Doch plötzlich ist die Straße gesperrt. Ratlos stehen wir vor der Absperrung. Da wir in keinem Fall alles wieder hochfahren wollen und immer mal wieder Rennradfahrer die Sperrung einfach ignorieren schließen wir uns ihnen irgendwann einfach an. Etwas Angst habe ich allerdings schon, dass es irgendwann nicht mehr weiter geht und wir alles zurück müssen. Es geht rauf und runter und wir passieren verlassene Dörfer und solche, in denen es nur noch eine Handvoll Einwohner zu geben scheint.
Die Gegend ist wunderschön allerdings ist das Thermometer in der Zwischenzeit auf 40 Grad gestiegen und wir können nur noch im Schatten anhalten. Allerdings sind die Schattenplätze rar und so haben wir irgendwann nur noch einen Wunsch: So schnell wie möglich in Belluno ankommen. Obwohl die Anzeichen menschlicher Besiedlung zunehmen, zieht sich der Weg bis Belluno.
Endlich in der Stadt angekommen freuen wir uns auf unser B+B und auf eine Dusche. Doch Pustekuchen, der Weg bis zur Dusche war noch lang und hat noch ein paar Stunden in Anspruch genommen. Erst verpassen wir die richtige Abzweigung von der Landstraße. Nach einigem Hin und Her sind wir dann endlich auf der richtigen Straße, doch die führt ziemlich steil den Berg hoch und die Dörfer, die wir passieren, sehen irgendwie auch nicht mehr so aus, als würde es hier eine Pension geben. Es wird immer später und meine Verzweiflung steigt, doch plötzlich stehen wir vor dem Ortsschild und gleich an dem Haus dahinter entdecken wir ein Hinweisschild auf unser B+B. Wir landen in einem noblen italienischen Landhaus, duschen und genießen die Abendsonne. Anschließend machen wir uns zu der einzigen Pizzeria im näheren Umkreis auf. Inzwischen ist es 22.00 Uhr die Pizzeria ist voll und es herrscht die für Italien übliche Betriebsamkeit und Lautstärke. Jana ist von der Atmosphäre begeistert. Wir essen eine superleckere Pizza und während Jana fasziniert das Treiben beobachtet, freue ich mich, dass ich die Möglichkeit habe meiner Tochter solche Dinge zu zeigen. Vollgefressen radeln wir durch die Nacht zurück zum B+B. Es ist einfach wunderschön und irgendwie so selbstverständlich, dass ich nicht einmal Angst habe. Dabei ist es noch gar nicht so lange her als ich es vorgezogen habe mit Jana im deutschsprachigen Raum Urlaub zu machen.
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