Ich brauche einen Exit Plan
Ich brauche dringend einen Exit Plan. Es sieht alles danach aus, dass es ab dem 20. April erste Lockerungen geben wird. Das ist auch gut so, doch die Vorstellung wieder arbeiten zu gehen macht mir Angst.
Fact ist, dass meine Toleranz in den letzten Wochen nicht gerade gestiegen ist. Immer wieder erwische ich mich, dass ich am liebsten etwas sagen würde, wenn uns beispielsweise zwei Personen im Wald begegnen und sie locker weiter nebeneinander hergehen, während wir uns ins Unterholz drücken. Daher gehe ich davon aus, dass es mir auch auf der Arbeit schwer-fallen wird, freundlich zu bleiben, wenn ich mich bedrängt fühle.
Fact ist, dass es menschenleere Straßen bei uns im Ort nie gegeben hat. Hier waren all die Wochen viele Menschen unterwegs, um einzukaufen oder einfach nur die Sonne zu genießen. Ich habe die Befürchtung, dass eine schrittweise Lockerung bei vielen das Gefühl entstehen lässt, dass alles wieder okay ist.
Fact ist aber auch, dass es auf meinem Arbeitsplatz nahezu unmöglich ist, Abstand zu halten. Der Laden ist eng, oft kommt es schon zu Körperkontakt, wenn man nur aneinander vorbei möchte. Wie oft hänge ich Kopf an Kopf mit den Kunden über einem Handy, weil sie mir ein Dokument per Mail schicken wollen aber nicht wissen, wie es geht. Oder am Bildschirm, weil die Kunden ein Dokument suchen, welches ich ausdrucken soll. Ich frage mich also, wie das gehen soll, damit ich mich dort zumindest einigermaßen wohl fühle. Und natürlich auch, welche Unterstützung ich von meinem Arbeitgeber bekomme, um beispielsweise etwas umzuräumen.
Fact ist, dass Jana vermutlich schon bald wieder zur Uni muss und dazu mit der Straßenbahn fahren muss. Also tagtäglich in die Virenschleuder Nr. 1 steigt
Und Fakt ist, dass ich schlicht und ergreifend Angst habe mich anzustecken. Ich höre es nicht gerne aber ich habe etwas am Herz und meine Lunge ist auch nicht die Beste, ich gehöre also zur Risikogruppe.
Vielleicht ist das ja alles übertrieben und ich sehe die Dinge und die Menschen einfach zu negativ. Doch dies ändert nichts an meiner Angst. Ob sie nun realistisch ist oder nicht, sie ist da und wenn ich nicht die nächsten Monate in Angst leben möchte, dann brauche ich dringend meinen ganz persönlichen Exit Plan.
Fact ist aber leider auch, dass ich keinen blassen Schimmer habe, wie der aussehen könnte.
Moin Anja,
ich kann Deine Angst sehr gut verstehen. Ich bin durch die Raucherei auch nicht mit einer Sportler-Lunge ausgestattet, und Blutdruck-Tabletten nehme ich schon über 10 Jahre. Zwar in der geringsten Dosierung, die es gibt, trotzdem steckt das im Kopf. Und jede Schlagzeile über die “schlimmen Fälle bei den Risikogruppen” lässt meinen Blutdruck dann weiter ansteigen.
Ich bekomme dann auch richtig Angst davor, mich mit dem Virus zu infizieren. Melli erdet mich dann immer ein wenig, nachhaltig ist da aber auch nicht. Was mir ein wenig geholfen hat, waren die Statistiken aus China, wenn man die mal umdreht. Dann überleben plötzlich über 90% der Menschen mit Lungenerkrankungen oder Bluthochdruck diese Krankheit. Aber am Ende mache ich mich auch immer wieder verrückt, ich kann Dich wirklich gut verstehen.
LG Thomas
Hallo Thomas,
diese Angst wird vermutlich bleiben, wir können nur lernen damit umzugehen oder sie zu verdrängen. Egal, wie es jetzt weiter geht, Corona wird ja bleiben und sich so, wie zig andere Krankheiten auch, in unserem Alltag breit machen. Ich wünsche dir und natürlich Melli, dass ihr gesund bleibt und wir uns irgendwann mal wieder live sehen können. Vielleicht ja sogar im Terra Zoo.
Liebe Grüße und noch viel Spaß beim radeln
Anja