Will man das Grindelviertel auf den Punkt bringen, dann wohl am besten so: Studentisches Leben, jüdische Vergangenheit und Gegenwart und ganz viele tolle Gründerzeithäuser.
Übersicht
Kurze Geschichte des Grindelviertels
Das heutige Grindelviertel war einst ein verlassenes Gelände, welches erst 1752 von der Stadt gekauft wurde. Besiedelt wurde dieser Teil Hamburgs jedoch erst nach dem Großen Brand von 1842 und nach Aufhebung der Torsperre 1860.
Nach 1870 verlagerte sich das Wohngebiet der Hamburger Juden allmählich in das Grindelviertel und brachte dem Viertel den Beinamen „ klein Jerusalem „ ein. Obwohl Juden und Nicht-Juden im Viertel einträchtig beisammen lebten, blieb Hilfe und Solidarität den Nachbarn gegenüber nach der Machtergreifung eher die Seltenheit. Zur Zeit der Machtübernahme der Nationalsozialisten lebten im Grindelviertel rund 25.000 Juden.
Ab 1941 wurden die noch im Viertel lebenden Juden nach Osteuropa deportiert. Der damalige Sammelpunkt für die Deportation lag an der Moorweidenstraße und kann heute zwischen dem Hauptgebäude der Uni und der Universitätsbibliothek besichtigt werden.Heute ist das Grindelviertel das Zentrum für ca 4000 Hamburger Juden.
Stadtspaziergang durch das Grindelviertel
Wir beginnen unseren Spaziergang durch das Grindelviertel an der U Bahnstation Hallerstraße und laufen zunächst auf der Rothenbaum Chaussee Richtung Universität. Wo sonst das studentische Leben tobt, ist an diesem Sonntagmorgen eher tote Hose.
Auf der Suche nach einem Café und etwas zu Essen, biegen wir in die Hartungstraße ab, die von Jugendstil- und Gründerzeitbauten geprägt ist.
Kurze Zeit später kommen wir zum Abaton, dem ersten Programmkino in Deutschland, doch wo abends der Bär steppt wird am heutigen Morgen gerade mal eröffnet. Immerhin bekommen wir gegenüber einen Kaffe und ein Brötchen.
Beim bezahlen fragen wir uns allerdings, ob wir versehentlich in einem Sternerestaurant gelandet sind. Egal, frisch gestärkt biegen wir links in den Grindelhof und kommen wenig später zur Thalmud- Thora Realschule. Die ursprünglich in der Elbstraße gegründete Schule war die erste jüdische Schule in Deutschland, die das streng traditionelle Judentum mit der modernen Bildung verband. 1911 zog die Schule in das Grindelviertel um. Von den 343 Schülerinnen und Schülern und 28 LehrerInnen überlebten nur 76 Kinder und 3 Lehrkräfte den Naziterror. 2007 eröffnete die Schule erneut ihre Tore. Wir bleiben gegenüber der Schule stehen und fallen gleich unangenehm auf, denn obwohl die Straße ansonsten menschenleer ist, sind wir nicht alleine. Gegenüber, direkt neben der Schule steht ein Container der Polizei und wir werden von zwei Polizisten genau beobachtet. Ich bekomme eine Gänsehaut. Es ist Sonntag Morgen, das ganze Viertel scheint noch zu schlafen und dennoch patroullieren hier zwei Polizisten und beäugen uns misstrauisch- verdammt noch mal, in was für einem Land leben wir eigentlich? Wir ziehen weiter und biegen in die Grindelallee ab. Die Gänsehaut will mich nicht wieder verlassen aber zumindest ein Gedenkstein an einer Kirche gibt mir das Gefühl nicht alleine mit meinem komischen Gefühl zu sein.
Vorbei am Platz der jüdischen Deportierten geht es weiter in die Moorweidenstraße und über die Heimhuder Straße zurück zur U Bahn.
Mein Fazit zum Grindelviertel
Wer das pulsierende studentische Leben erleben möchte, der sollte nicht gerade an einem Sonntag und schon gar nicht vormittags in das Grindelviertel fahren. Wer jedoch in aller Ruhe die tollen Jugendstilbauten und Gründerzeitvillen betrachten möchte ist hier Sonntags genau richtig aufgehoben.
Mir persönlich hat das Grindelviertel sehr gut gefallen und es hat mich ein wenig an Notting Hill in London erinnert.
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Kennst du das Grindelviertel? Wie hat es dir dort gefallen? Ich freue mich über Kommentare und Anregungen.
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Hallo Bodo,
In den achteckigen Häuschen sind Fahrradstellplätze. Die Räder werden darin aufgehängt, kostet glaub‘ ich 10 € monatlich.
mich hätte es einmal interessiert, was es mit den vielen kleinen, ich glaube, achteckigen Häuschen auf sich hat. Konnte keine Erklärung finden.
LG Bodo
Hallo Bodo,
da kann ich dir leider auch nicht weiterhelfen. Ehrlich gesagt sind sie mir auch überhaupt nicht aufgefallen. Aber jeder sieht ja etwas anderes.
Viel Erfolg bei der weiteren Recherche
Gruß
Anja
Liebe Anja, ich war neugierig, denn ich wohne nur ein paar Schritte entfernt. Schöne Bilder!
Gestatte mir eine kleine Korrektur: der Sammelplatz an der Moorweidenstraße und der von Dir genannte Platz sind nicht die gleichen. Die Moorweide liegt in der Nähe des Bahnhof Dammtor. Der Platz, den Du beschreibst: dort stand früher die Synagoge, die dem Terror zum Opfer fiel.
Deine Gänsehaut an der Schule kann ich gut verstehen. Wenn ich dort vorbei gehe, geht mir das auch immer so. Meine Tochter hatte eine Zeit dort Religionsunterricht. Sie mussten immer klingeln und sich einer Sicherheitskontrolle unterziehen. Ich als Mutter wäre nicht befugt gewesen, sie dort innerhalb der Schule zu besuchen. Das fand ich damals sehr befremdlich.
Wenn Du mal wieder in Hamburg bist, sag Bescheid. Gern geb ich Dir Tipps für schöne Cafés und einiges mehr.
Liebe Grüße, Charis
Hallo Charis,
danke für den Hinweis. Wenn ich etwas Luft habe werde ich das sofort ändern. Die Schule läuft mir immer noch nach. Ich kenne es zwar aus Köln, dass die Synagoge bewacht wird aber eben nur mit einer Streife und irgendwie nicht gleich mit einem Container. Der vermittelt irgendwie gleich so etwas von Dauerhaftigkeit.
Liebe Grüße
Anja
Hallo Anja,
Ich habe als Kind in der Rothenbaumchaussee gewohnt (gegenüber dem Museum
für Völkerkunde). Dass ich aber im Grindelviertel gewohnt habe und welche
Geschichte dies hat, war mir nicht bekannt. Eigentlich kannte ich nur die
Grindelhochhäuser, in denen wir als Kinder immer Paternoster gefahren sind
;-)
Danke für diesen schönen Spaziergang!
LG
Sabienes
Hallo Sabine,
das kenne ich, meist ist einem als Bewohner gar nicht so klar, welche Geschichte hinter dem Stadtteil steckt. Paternosterfahren klingt klasse. In der VHS Köln gab es lange einen, mittlerweile natürlich aus Sicherheitsgründen verboten. Ich habe mich immer wie in einem 20er Jahre Film gefühlt, wenn ich damit gefahren bin. Leider habe ich mich nie getraut drin zu bleiben, wenn er oben oder unten dreht.
Liebe Grüße und danke für deinen Kommentar
Anja